Montag, 23. März 2009

Uns hilft kein Philosoph*

Sloterdijk ist das deutsche Grosshirn, das nach dem 11. September verkündete, die Toten des WTC seien nicht mehr als die jährlichen Verkehrstoten. Offenbar hat der er fünf Jahre gebraucht, um nun herauszufinden, dass die Verkehrstoten Opfer von angesammelter Rache sind und die Toten vom 11. September Opfer von ca 3000 angesammelten Verkehrsunfällen? Die nächste Denkblase kommt bestimmt, der Philosoph wird noch rausfinden, dass ein Genocid eine Sammlung von verhinderter Rache der Opfer an den Tätern ist, die eine Art Unfall erlitten haben, indem sie an die Opfer gerieten und so zu Tätern wurden.

Mit Zorn und Zeit hat er sich wieder etwas Neues ausgedacht, das die Welt rumdum erklärt. Nämlich die Rache als Triebkraft der Geschichte. Zorn und Zeit klingt gut in unsereren Ohren. Aber da wir immer über ganz andere Dinge erzürnt sind als Sloterdijk, werden wir auch damit nicht viel anfangen können. Er glaubt scheint’s den grossen Coup zur Erklärung der Ursachen des Terrors gelandet zu haben mit seinem Begriff der „Sammlung“ von Rachegefühlen (nach den Blasen kommen die Ansammlungen), was auch wieder ein Verwässerungsbegriff ist, mit dem die ursprüngliche Gewaltlust etwa der erobernden Kriegerhorden vernebelt wird, die keineswegs aus angesammelter „Rache“ sondern aus Lust am Massen Morden, Länder Uberfallen und erobern wie die Horden Mohammeds, die nicht an den Eroberten zu rächen hatten, die sie kolonisierten. Plünderer und Menschenschlächter sind keine Rächer, sondern ganz gewöhnliche Verbrecher. Auch religiös motivierte Schlächter müssen ihre Verbrechen keineswegs aus Rache begehen, wie die bestialischen moslemischen Menschenschlächter, die sich an der Tournante gütlich tun oder die Mitgiftmörder, die nicht aus Rache handeln gegen die Opfer, die ihnen nichts getan haben, sondern eher aus Lust am Frauenverbrennen, oder die Massenmörder, deren Lust an den Verbrechen an denen, die ihnen nichts angetan hatten, umgedeutet wird, damit sie in die Sloterdijksche Konstruktion der Terrorursachen passen. Mit der „Sammlung“ hat er wieder so ein Passepartout erfunden, das alles und nichts erklärt. Es ist nicht die Ansammlung von „Rache“ die die Gewaltvermehrungslust bis zur Selbstzerstörung der Spezies erklärt, sondern die sog. menschlichen Natur, die dummerweise geschlechtsspezifisch angelegt ist. Eine Killerspezies, die 98 ihrer Gene mit der Primatenart gemeinsam hat, die die aggressivste unter allen ist, kann zwar Denker hervorbringen, die sich ausdenken, es handle sich hier um Ansammlung von Rachegefühlen, womit sich Sloterdijk wahrscheinlich an seinen Kritikern und Nicht-Lesern rächen will, aber auch der philosophisch entwickelte Primat kann mit der neuen fixen Idee nicht erklären, wieso soviel Testosteron bei der einen Sorte angesammelt ist, dass sich so gern an Wesen austobt, an denen es sich nicht rächen muss, weil sie schwächer sind, z.B. an Kindern. 220 Millionen werden schätzungsweise jährlich sexuell missbraucht von den fortgeschrittenen Killeraffen. Rache an was?

Der Philosoph Sloterdijk, der selber in einer gut gepolsterten Tonne sitzt, aus der heraus er die Welt mit dem Opernglas betrachtet, erblickt in den islamischen Terroristen die „zornigen“ junge Männer, denen seine spürbare Bewunderung gilt (etwas distanzierter als die von Scholl-Latour, aber doch alles andere als Abscheu), betrachtet auch die anderen Logeninhaber im bestze seines Zeisses. Dass er nach seiner Aufteilung der Weltbetrachtung in naive und Zynische nun noch ein Drittes in der Mitten installieren will, fügt dem bisherigen Allwissen auch nichts Neues hinzu. Interessanter liest sich da schon die Analyse von Michael Mannheimer über den Werterelativismus Europas, dessen intellektuelle Eliten reihenweise der islamischen Barbarei einheimfallen.

Zum Bild der Gorgo auf dem Schild des Perseus gibt es eine etwas ältere Interpretation in dem Buch „From a broken Web“ der amerikanischen feministischen Theologin Cathrin Keller, deren Version dem Ursprung des mythischen Bildes gerechter wird. Denn es wurden nicht irgendwelche Kopfe zufällig abgeschlagen. Der Mythos beschreibt eine Zeitenwende. Dass die Häupter der unkenntlich gewordenen „Gottheiten“ später auf dem Schild der Vatertochter Pallas erscheinen, den sie selber nicht erkennen kann, ist eine bedenkenswerte Deutung, an die die jüngeren Inhaber der Deutungshoheit über die alten und neueren Mythen nicht heranreichen. Ihre Herkunft wurde geflissentlich vergessen. Sloterdijk ist viel zu fasziniert von den zornigen Jungmachos, den Terroristen, um noch eine Erinnerung zu haben an die Zornigen Gottheiten, denen das Haupt abgeschlagen wurde und die seitdem als das Unbewusste der Kultur durch die Zeiten geistern. Zorn und Zeit müsste neu geschrieben werden. GS
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*Julia Encke im Gespräch: Peter Sloterdijk (Auszug)

Uns hilft kein Gott

http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~ED74105D805F449BA87797F620612FA56~ATpl~Ecommon~Scontent.html?rss_feuilleton

Encke: Wie sehen Sie sich selbst? Als Trainer zur Weltverbesserung oder als postmodernen Guru?

Sloterdijk: Na ja. Philosophen sind Menschen mit einem starken Selbstgespräch. Auf der einen Seite finden sie in sich einen Zeitgenossen, der die allen Menschen gemeinsame Ratlosigkeit angesichts der Weltlage teilt. Auf der anderen Seite gibt es in ihnen eine Teilpersönlichkeit, die behauptet, sie habe etwas gelernt und wisse Rat. Die zweite Figur, die bei mir auf dem Ratgeberstuhl sitzt, ist im Moment vielleicht ein bisschen imposanter geworden. Ich habe in die Weltlage hineingehorcht und meine aktuellen Wahrnehmungen mit dem allgemeinen Wissen über die Evolution der Hochkulturen in den letzten drei Jahrtausenden verknüpft. Daraus ergeben sich einige dringende Mitteilungen.

Encke: Nicht jeder will diese dringenden Mitteilungen hören. In Ihrem Buch werfen Sie den Intellektuellen vor, dass sie Leute, die ernsthafte Warnungen aussprechen, gleich als Wichtigtuer abtun. Kaum einer, sagen Sie, lässt das Ausmaß der Bedrohung an sich heran. Sind das für Sie Zyniker, oder sind sie einfach nur naiv?

Sloterdijk: Im gegebenen Fall ist die Alternative zwischen zynisch und naiv nicht komplett. Als ich vor einem Vierteljahrhundert „Die Kritik der zynischen Vernunft“ schrieb, unternahm ich den Versuch, die ganze Typologie des intellektuellen Feldes in diese Alternative zu zwängen: Entweder sind die Leute naiv, dann sind sie den Problemen zu nahe, oder sie sind zynisch, dann sind sie den Problemen gegenüber zu gleichgültig. Heute brauchen wir eine dritte Position. Ich spreche von Leuten, die weder zynisch noch naiv sind.

Encke: Sie meinen Leute, die alles dekonstruieren, um sich die Welt vom Leib zu halten?

Sloterdijk: Der Dekonstruktivismus ist nicht zuletzt deshalb plausibel geworden, weil die Moderne zu viele fatal naive Formen von Weltretterei hervorgebracht hat. Die Sozialkatastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts sind aus Ideologien entsprungen, formuliert von irgendwelchen Halberleuchteten, die mit großer prophetischer Gebärde das Welträtsel lösten. Ob man nun dem Privateigentum an allem Schuld gab oder dem zersetzenden Judentum: Gegenüber verführerischen Primitivformeln war das dekonstruktive Verhalten allemal gerechtfertigt...Richard Rorty hat seine Kollegen in den philosophischen Departments und Humanwissenschaften einmal etwas bitter als „detached cosmopolitan spectators“ bezeichnet. Er meinte damit: Sie reden von der Krise wie von einer Operninszenierung. Allenfalls blicken sie mit dem Opernglas auf die Katastrophen an der Peripherie, ohne zu begreifen, dass viele Desaster, die sich heute ereignen, nicht nur ihren eigenen Unheilsgehalt haben, sondern auch Zeichenqualität für unsere Zukunft besitzen.

Encke: Was heißt „Zeichenqualität“?

Sloterdijk: Hans Jonas und Carl Friedrich von Weizsäcker haben schon in den achtziger Jahren von „Warnkatastrophen“ gesprochen. Gemeint war damit: Die Menschheit bekommt Warnungen aus dem Realen zugespielt, die müssen entschlüsselt und ins Verhalten von Individuen und Institutionen übersetzt werden. Genau das kann derjenige nicht tun, der sich mit der Rolle des losgelösten kosmopolitischen Theaterbesuchers begnügt.

Encke: Bietet so ein Opernglas nicht auch Schutz? Wenn man sich mit dem Ausmaß der realen Bedrohung tatsächlich konfrontiert, kann einen das auch handlungsunfähig machen, im Extremfall in den Selbstmord treiben. Menschen sind schutzbedürftige Wesen.

Sloterdijk: Seit dreitausend Jahren leben die Avantgarden der Menschheit in dieser Situation: Dass sie Übergewaltiges sehen, und die Intelligenz zittert. Mir scheint, der Begriff „Gott“ war eines der stärksten Schutzschilde, hinter die man sich ein Weltalter lang zurückzog, um dem Ungeheuren standzuhalten. Sähe man die Außenseite des Schildes, würde man zur Salzsäule erstarren. Erinnern Sie sich an den Schild des Perseus, in dessen Mitte das grauenerregende Haupt der Gorgo eingefügt war. Der Held steht aber auf der Innenseite des Schilds und kehrt den Schrecken nach außen. Dieses Bild beschreibt recht gut die Situation der menschlichen Intelligenz, wenn sie sich im Handgemenge mit dem Realen zu sichern versucht.

Encke: Also müssen wir aus der falschen Sicherheit raus und gefährlicher leben?

Sloterdijk: Vor allem gefahrenbewusster denken. Was bevorsteht, ist eine Art von gorgonischer Aufklärung. Wir müssen uns dafür entscheiden, ein globales Immunsystem aufzubauen, usw.

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In der Tonne lebt sich's ganz gemütlich. Dort muss man weder Kinder hüpten noch Kranke pflegen noch alte betreuen. Aber man hat alle Zeit zum Schwatzen.